Ich bin ein Haus. Lost Places in Coswig. Fotoausstellung von Susanne Pohl im Projektraum Coswig
Seit 50, 100 oder vielleicht sogar mehr als 150 Jahren stehe ich hier in Coswig (Anhalt). So wie viele meiner Nachbarn habe auch ich schon bessere Zeiten erlebt.
Du würdest staunen, wie schön es hier einmal war. So schön, dass man sogar ein Schloss baute – das heute ebenso leidet wie wir. Früher wurde hier gefischt, gehandelt, Schifffahrt betrieben und sogar Kohle abgebaut. Mit der Eröffnung der Bahnstation 1841 war Coswig bestens angebunden: auf der Straße, der Schiene und dem Wasserweg. Dann begann die Industrialisierung: Die WASAG, die Anhaltinischen Farbenwerke, Ton- und Steinzeugwerke, die Papierfabrik, Zündholzwerke – und sogar zwei Tuchfabriken – ließen die Stadt aufblühen. Es entstanden stattliche Industrie- und Wohngebäude. Bis zum Ende der DDR hielt dieser Aufschwung an. 1982 lebten hier 11.300 Menschen. Heute ist das alles Vergangenheit. Die Betriebe sind verschwunden, die Schaufenster der Bäcker, Fleischer und Läden stehen leer. Ganz gleich, aus welcher Richtung Du nach Coswig kommst: Überall siehst Du traurige, verlassene Häuser – Lost Places. In dieser Ausstellung triffst Du nur auf rund 20 von uns. Doch die Liste der Vergessenen ist viel länger. Mit dem Verkauf des Schlosses durch die Treuhand und der Abwanderung der Arbeitskräfte begann der Niedergang. Ein Geschäft nach dem anderen schloss, viele Besitzer zogen fort. Die, die blieben, kämpfen ums Überleben. Für die Instandhaltung fehlt das Geld, der Denkmalschutz macht es zusätzlich schwer. Manche hoffen nur darauf, uns irgendwann teurer weiterzuverkaufen. Sag, sind wir Lost Places es nicht wert, dass man für uns kämpft? Das Urteil liegt bei Dir.
Die Ausstellung ist am 11.10. bis 16 Uhr geöffnet.